Das Coronavirus breitet sich immer weiter aus. Im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos an der Ägäis waren die Zustände bereits vor dem Ausbruch der Pandemie katastrophal. Der drohende Virus verschärft die Lage.
Untenstehend folgt ein exemplarischer Bericht von einigen Bewohnern des Lagers Moria auf Lesbos, Griechenland.
Griechenland spielt Vollstrecker für die Todesurteile der Deutschen Regierung. Die rechten Bürgerwehren auf Lesbos setzen Europäische Politik in die Tat um. Sie sind dabei nur effektiver als die Polizeieinheiten. Deutsche Rechtsextreme unternehmen Kreuzfahrten nach Moria. Aber was sie umsetzten ist astreine Politik des EU-Parlaments: nach eigener Aussage wollen sie die EU Außengrenzen schützen. «Diese Grenze ist nicht nur eine griechische Grenze, es ist auch eine europäische Grenze», sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag bei einem Besuch in Griechenland. Sie dankte dem Land dafür, in diesen Zeiten der «europäische Schild» zu sein. Frontex und die NATO hält Flüchtlingsschiffe vom Landen ab, dänischen Whistleblowern zufolge schießen sie mit scharfer Munition.
Der folgende Bericht darf also keine Anklage an die unmittelbaren Täter bleiben. Die Todesurteile der Flüchtlinge in Moria werden auch in Deutschland gefällt.
Bericht:
6.1.20: Selbstmord von einem Iranischen jungen Mann, der in der Abschiebeabteilung in Moria eingesperrt war ohne medizinische Versorgung und ohne psychologische Betreuung. Am nächsten Tag: Protest vieler Bewohner*innen wegen des Selbstmords.
22.1.20: Ein Generalstreik wird ausgerufen von konservativen Politikern, Parteien, Geschäftsleuten, mit der Forderung „wir wollen unsere Inseln zurück“. Alle Geschäfte folgen dem Streik, Tausende sind auf der Strasse.
30.1.20: Demo von Frauengruppen aus Moria/Kara Tepe und Mytilini (Hafenstadt auf Lesvos) für Freedom of Movement (Bewegungsfreiheit).
31.1.20: Bürgermeister von Süd-Lesvos, Verros, schließt „Stage 2“, ein refugee camp vom UNHCR vor Skala Sikaminias.
3.2.20: Demo von Flüchtlingen aus Moria in Mytilini, auch für Bewegungsfreiheit und die Erlaubnis, die Insel zu verlassen. Die Demo wird blockiert von MAT (Sonderpolizeieinheiten zur Vollstreckung der öffentlichen Ordnung), damit die Demonstrantinnen nicht in die Stadt hineinkommen. Tränengas wird direkt auf Babys geschossen. Festnahmen von Medizinerinnen während der Behandlungen. Viele Verletzte.
Regierung kündigt Bau auf den Aegais Inseln von geschlossenen Zentren, für mindestens 5.000 Geflüchtete. Ausgewählte Orte werden angekündigt, angefangen bei einer Grenzmauer als Netz im Meer. Außerdem wird angekündigt: Im Norden der Insel der Bau in einem Naturschutzgebiet, wo seit längerem ein Luxus Campingplatz geplant wird. Zwischen Kaloni und Mytilini mitten im Wald wo Bäume abgeschnitten wurden, um eine Schneise gegen Brände zu machen. Darunter sind Militäranlagen für den Fall, dass „der Türke“ angreift…
Kavathas bei Mantamados (eine linke Hochburg von Lesvos): Überall Proteste und Dorf Versammlungen, um den Widerstand zu planen.
Protest der Politiker und der Bevölkerung fängt an. Sie wollen nicht, dass die Inseln weiter zu Gefängnisinseln gemacht werden. Forderung aller Politiker (viele von der liberal-konservativen Neuen Demokratie): Alle Flüchtlinge sollten weg von den Inseln aufs Festland. Der Bürgermeister von Süd Lesvos, Verros, kündigt Widerstand an und droht, sein Bürgermeisteramt abzugeben.
4.2.20: Antifa Demo nachts als Reaktion auf die rassistischen Angriffe, Bürgerwehren und Straßenblockaden.
25.2.20: MAT Einheiten kommen aus Athen mit dem Schiff, um den Bau des Knastes durchzusetzen von der Regierung geschickt in einer Nacht Aktion mit dem Blue Star Schiff, mehrere MAT Spezialeinheiten sind jetzt auf der Insel und Baugerät, um den Knast zu bauen.
Die ganze Nacht warten viele Menschen vor der Toren des Hafens, um die Ankunft zu blockieren. Darunter die Fahrzeuge der Müllabfuhr. Trotzdem schafft es die Polizei mit viel Tränengas, den Weg frei zu machen.
26.2.20: Kavathas 2 Tage Demonstrationen.
Die Bevölkerung geht an den Ort, um die MAT (Spezialeinheit) und die Geräte zu blockieren. Lange Kämpfe mit Tränengas, auch gegen den Pastor und alte Menschen. Die lokalen Bauern, die für den Bau enteignet werden sollen, kennen sich natürlich besser aus als die Spezialeinheiten, die nach 3 Tagen mit Kämpfen aufgeben.
Die Protestierenden schaffen es, auf zwei Strecken über die 2 Tage die MAT Einheiten zu blockieren und den Bau zu verhindern. Trotz unglaublicher Mengen an Tränengas ziehen sich irgendwann die übernächtigten und schimpfenden Spezialeinheiten zurück in eine Kaserne in Mytilini wo die ganze Nacht über Tausende protestieren. Es wird gesagt, dass sie über 50 Verletzte haben. Die lokale Bevölkerung im Widerstand hatte zum Schluss zum Teil sogar Waffen dabei und sie haben geschossen.
In Chios werden die MAT in ihrem Hotel angegriffen, ihre Kleidung und ihre Sachen aus dem Fenster geworfen. Auf Lesvos findet sich kein Hotel, wo sie übernachten können. Alle Hoteliers weigern sich sie aufzunehmen.
Am dritten Tag müssen sie sich in die Militär Kaserne in Pagani zu ihren Schutz zurückziehen bevor sie auf die Fähre gehen. Es gibt Erklärungen von Militärs, die sagen, wir wollen nicht in Aktionen gegen unsere Bevölkerung eingesetzt werden.
Die Regierung ruft die MAT Spezialeinheiten zurück, behauptet in den Medien, die ihr Sprachrohr sind, dass die erste Stufe des Baus stattgefunden hat, was eine Lüge ist aber was für das Auszahlen der ersten Summen an die Baufirmen nötig war. Es gibt drei Baufirmen, die die Aufträge bekommen haben, eine für jede Insel und die Firmeninhaber stehen alle der ND nah, sind zum Teil sogar Verwandte von Politikern der ND.
Der Rückzug der MAT von der Insel, eigentlich ein gemeinsamer großer Erfolg der Bevölkerung, wird schnell von Faschisten genutzt: Anfang von Straßensperren von Bürgerwehren, erst um Moria Dorf herum. Angriffe auf Menschen und Autos und Häuser, die mit NGOs zu tun haben. Angriffe auf NGO Mitarbeiter. Sie werden gezwungen, aus dem Dorf auszuziehen und sich in Sicherheit zu bringen.
27.2.20: Angriff der Bürgerwehr auf ein Fahrzeug der OHF und Bewohnerinnen von Mytilini.
27.2.20: Erdogan macht die Grenzen zur EU auf und Geflüchtete kommen mit organisierten Bussen aus Istanbul nach Evros und an die Küsten. Tausende Flüchtlinge, die nur die Information haben, dass die Grenzen auf sind, wissen nicht, dass Griechenland seine Grenzen dichthält. Sie befinden sich jetzt im Niemandsland zwischen der Turkei und Griechenland. Tagelang versuchen die verzweifelten Menschen durch zu kommen und werden vom Militär zurückgedrängt. Es gibt mindestens 2 Tote. Einer war ein Bewohner vom City Plaza Hotel in Athen, der seine Frau abholen wollte.
Die griechische Regierung beschließt das Asylrecht für einen Monat auszusetzen für alle Menschen, die ab dem 1.3. ankommen, sie erst einmal einzusperren und dann zurück in ihre Länder abzuschieben.
An den Stränden vom Süden und Norden werden die Aktivistinnen von der Polizei mitgenommen. So werden sie massiv an ihrer Unterstützungsarbeit gehindert. Viele erschrecken und ziehen sich ganz von der Insel zurück. Auf Lesvos werden die Angriffe auf NGOs, Autos und Menschen parallel dazu immer zahlreicher.
1.3.20: Ein Boot mit Flüchtlingen kommt im Hafen von Thermi an, rassistische Bürger verhindern das Anlanden und beschimpfen und bedrohen eine schwangere syrische junge Frau mit Baby und alle anderen. Fotojournalisten, die das aus der Ferne dokumentieren, werden von Faschisten geschlagen, Kameras ins Meer geworfen, eine einheimische Frau kommt zu Hilfe. Die griechische Küstenwache zieht das Schlauchboot aus dem Hafen von Thermi und sichert die Anlandung. Die Angekommenen haben kein Recht auf Asyl und werden in den Hafen von Mytilini gebracht, wo sie dann auf einem Militärschiff tagelang eingesperrt leben müssen.
Bürgerwehr auf dem Weg von Panagiouda nach Moria. Alle Autos werden kontrolliert von Privatpersonen bewaffnet mit Schlagstöcken. Sie versuchen zu verhindern das neu Ankommende nach Moria gebracht werden. Sie greifen Journalist*innen, NGOs an und alle, die sie für solche halten.
Die nächsten Tage gibt es Bürgerwehren vor Panagiouda, bei der Kurve vom Elektrizitätswerk DEH Richtung Pagani, Undain und an anderen Stellen. Sie fordern Ausweise, um zu kontrollieren, wer kein Grieche ist. Alle die rein und raus wollen werden kontrolliert von bewaffneten Männern aus der Gegend. Offensichtlich agieren sie unter dem Schutz vom Bürgermeister von Mytilini, der sie in den sozialen Medien gelobt haben soll.
Nachts wird auf dem offiziell geschlossenen, aus Platzmangel aber noch teilweise bewohnten refugee camp Stage 2 Feuer gelegt und es brennt vollkommen nieder.
Die meisten NGOs ziehen ihre Volunteers und Angestellten zurück und gehen. Sogar Eurorelief die in Moria Hand in Hand mit den Authorities ihre Arbeit gemacht haben, in dem Wissen, dass die griechische Regierung seit dem 11.7.19 die Gesundheitsversorgung für ALLE Flüchtlinge abgeschafft hat, und dass nur die medizinischen NGOs vor Ort die Arbeit machen – ein Alptraum.
2.3.2020: Angriff mit versuchter Brandstiftung auf das Schiff Mare Liberum im Hafen von Skala Loutron, das von politischen Journalisten genutzt wird, um die Lage zu beobachten.
Währenddessen rufen in Evros Europäische Faschisten zur Verteidigung der EU Grenzen auf und reisen ein mit Flyern, die sie an Flüchtlinge verteilen: „Kommt nicht in unsere Länder es gibt kein Geld wir wollen euch nicht“. Als ihre Präsenz öffentlich gemacht wird, werden sie von den Behörden in Evros des Landes verwiesen. Es kommen aber sofort die nächsten in Lesvos an, lokale Rechte veröffentlichen kurz vor ihrer Ankunft auf internen Seiten, dass sie kommen und ihre Leute sollten aufpassen dass sie sie nicht mit NGO Mitarbeiter*innen oder ausländischen Journalisten verwechseln (die sie wiederum angreifen sollen). Sie liefern so eine schriftliche Bestätigung, wer die rassistischen Täter sind. Als „Journalisten“ laufen die deutschen und österreichischen Faschisten entspannt durch die Einkaufsstraße Ermou und interviewen die Bevölkerung. Nicht lange – sie werden erkannt und müssen dann das Krankenhaus besuchen bevor sie abends weg fliegen mit einem Verband auf dem Kopf.
5.3.2020: Mare Liberum wird von Faschisten im Hafen von Mytilini am Anlegen gehindert und muss den Hafen verlassen.
Alle Flüchtlinge die ab dem 1.3., Erdogans Grenzöffnung, in Griechenland ankommen, werden festgenommen und eingeknastet bis sie in ihre Länder zurückgeschickt werden, ohne jeweils einen Asylantrag stellen zu können. Die wenigen, die es nach Evros geschafft haben, werden auch festgenommen und von einem Schnell-Gerichtsverfahren zu 4 Jahren Knast verurteilt.
Diejenigen die an den Stränden von Lesvos ankommen, werden nicht nach Moria gebracht. Die die im Süden ankommen, müssen draußen bei der Küstenwache im Hafen von Mytilini leben. Busse als Schlafplätze und ein paar Chemie Klos. Kein Kontakt mit Organisationen trotzdem schaffen es Journalisten mit ihnen zu reden.
Ein Militärschiff kommt im Hafen von Mytilini an, um sie angeblich abzuholen.
Aber es bleibt im Hafen tagelang mit dem Bug offen und ein Teil der Flüchtlinge lebt auf dem Schiff unter unmenschliche Bedingungen. Schwangere, kleine Kinder, Männer, alle eng zusammen Das Corona Virus ist schon im Land.
Die Flüchtlinge, die seit dem 1.3. im Norden ankommen sind, wurden eine Nacht in ein vom Bürgermeister angeordnetes Zelt gebracht, das aber am nächsten Tag wieder abgebaut wird. Sie campen wild, bis sie 2 Wochen später abgeholt werden, ins Militärschiff gebracht und mit den anderen in ein neues Zelt Gefängnis auf das Festland gebracht werden. Kleidi bei Sidiki wo sie wieder keine medizinische Versorgung bekommen und keine Asylanträge stellen können.
Die Regierung schließt ab den 21.3.20 alle Camps, mit der Begründung von Corona. So auch Moria inklusive Olive Grove. Keiner weiß, wie das gehen kann. Nur 100 Personen pro Stunde, dürfen in die Stadt zum einkaufen.
Da es absolut kein Anzeichen dafür gibt, dass eine Corona Prävention für 20.000 Menschen auf engstem Raum, oft ohne Wasser und Hygiene möglich sein kann, organisieren sich die Flüchtlinge selber zu einer „Awareness Group“, um alle zu informieren. Sie stellen sich vor Lidl, wo die meisten zum Einkaufen gehen und erklären die Gefahren, andere nähen Masken aus Stoffresten für alle Bewohnerinnen des Camps.
Der Bürgermeister von Mytilini kündigt an, selber 3 Ärzte einzustellen, die in Moria für die 20.000 Menschen für Corona zuständig sein sollen.
Während alle europäische Besucher*innen der Insel, Politiker aus Brüssel, Journalist*innen etc. fordern, das Lager Moria sofort zu evakuieren, will die Regierung am Montag beschließen, dass Land auf den Inseln konfisziert und verstaatlicht werden kann, für den Bau des Gefängnisses, das niemand haben will.
Die Staatsanwaltschaft hat gegen Personen wegen Angriffen ermittelt (NGO MitarbeiterInnen angegriffen und Autos demoliert, 2 deutsche Journalisten verletzt, Mare Liberum angegriffen, das Gebäude von One Happy Family in Brand gesetzt) Bisher gab es keine einzige Festnahme. Am 6.3. werden 2 Angeklagte verurteilt die Efi Latsoudi von Pikpa bedroht hatten. Sie bekommen 3 Monate auf Bewährung. In der Sache der ständigen Angriffe auf Flüchtlinge wird nicht ermittelt.
6.3.2020: 152 NGOs veröffentlichen einen Aufruf an den Ministerpräsidenten von Griechenland „die Gesetze und die Menschlichkeit zu schützen“. Menschlichkeit, die Flüchtlinge hier nur noch untereinander kennen.
7.3.2020: Samstag bei der Antifaschistischen Demo werden die nächsten österreichischen Faschisten erkannt. Sie müssen den Saphos Platz verlassen, holen ihr Gepäck im Hotel ab und kurz darauf brennt die Schule für Lagerbewohner, in Anwesenheit der Österreichische Faschisten, die sich als Journalisten ausgeben.
16.3.2020: Feuer im Hotspot Moria. Bewohner*innen versuchen das Feuer zu löschen, weil es kein Durchkommen für die Feuerwehr gibt. Mindestens ein 6-jähriges Kind stirbt, verbrennt. Wir sagen „mindestens“, weil es wie immer bei Toten im Hotspot eine offiziellen Zahlen gibt. Nach unserer Kenntnis ist das kleine Mädchen die 4. Tote im Hotspot seit Anfang 2020.
2.4.2020: Ritsona camp wird in Quarantäne gesteckt. 23 der etwa 2300 Bewohner wurden positiv auf Corona getestet.
Das Lager Moria dürfen nur 100 Personen gleichzeitig verlassen. Pro 1300 Bewohner gibt es nur einen Wasserhahn. Selbstorganisierte Gesundheitsteams verteilen Wasser, Hygieneartikel, etc, im Lager und versuchen über Sicherheitsmaßnahmen zu informieren. Alte Menschen werden von Nachbarn versorgt, um ihnen Selbstisolation zu ermöglichen. Mehr Unterstützung also, als die meisten Europäischen Regierungen ihren prekärsten Einwohnern bieten.